Hanf, eine ungewöhnliche Feldfrucht?
In Deutschland ist der Anbau von Hanf unter bestimmten Bedingungen legal, insbesondere für industrielle Zwecke. Landwirte, die Industriehanf anbauen möchten, müssen eine Genehmigung bei den zuständigen Behörden einholen und die THC-Grenzwerte einhalten. Laut dem Bio-zertifizierten Landwirt Michael Scherer aus Strinz-Trinitatis hat der Hanfanbau in Deutschland eine lange Tradition, die im letzten Jahrhundert in Vergessenheit geriet. Dabei hat die Pflanze einiges zu bieten: Sie kommt gut mit Trockenheit zurecht, der hohe Bewuchs, der spät geerntet wird, bietet vielen Lebewesen einen Lebensraum und die Hanfnüsse werden zu hochwertigen Lebensmitteln weiterverarbeitet. Grund genug, um uns mit Michael Scherer über den Anbau von Hanf in Hünstetten zu unterhalten.
Was hat Sie dazu inspiriert, Hanf anzubauen, und was entsteht aus ihrem Hanf?
Scherer: Ich bin seit 2009 zertifizierter Bioland-Betrieb und damit haben sich auch neue Möglichkeiten hinsichtlich der anbauwürdigen Feldfrüchte ergeben. Im Bioanbau hat man ja einerseits mit der Konkurrenz der diversen Beikräuter und andererseits mit dem gegenüber dem konventionellen Anbau deutlich geringeren Nährstoffangebot zu kämpfen; auch ist eine weite Fruchtfolge mit vielen unterschiedlichen Pflanzen aufgrund des Krankheitsdrucks empfehlenswert. Hinzu kommt die in unserer Region weit verbreitete Trockenheit im Frühjahr. Im Internet ist mir dann die Hanfpflanze aufgefallen, die mit den genannten Parametern gut zurechtkommt. Beispielsweise hat diese aufgrund der rapiden Jugendentwicklung und der damit verbundenen Unterdrückung von Beikräutern einen deutlichen Vorteil gegenüber anderen Sommerkulturen wie Braugerste; weiterhin verträgt er auch trockene Bedingungen. Der Hanfanbau hat im übrigen eine lange Tradition in Deutschland und kann auf eine jahrhundertelange Anbauhistorie zurückblicken, die erst im letzten Jahrhundert massiv eingeschränkt wurde.
Aus meinem Hanf entsteht Öl und in einem weiteren Arbeitsschritt Hanfprotein, beides wertvolle Lebensmittel, die die menschliche Ernährung ideal ergänzen können.
Ihr Hanföl ist ein Bio-Produkt. Wieso ist Ihnen das wichtig und wie wirkt sich das auf die Verarbeitung aus?
Scherer: Generell bietet der Bioanbau zahlreiche Vorteile für den Natur- und Umweltschutz. Seit 2009 arbeite ich nach den Biolandrichtlinien; eine Reduzierung nur auf den Hanf ist allerdings nicht möglich. Auch die weitere Verarbeitung des Hanfs muss nach Bio-Standards erfolgen und beispielsweise auch die Ölmühle entsprechend zertifiziert sein, was die Suche deutlich erschwert.
Video: Unsere Reporterin Angela ist bei der Hanfernte in Strinz-Trinitatis hautnah dabei. Zunächst werden die Pflanzen gedroschen. Danach werden die Hanfnüsschen in den Behälter geblasen.
Welche Herausforderungen und Risiken sind mit dem Hanfanbau verbunden und wie gehen Sie damit um?
Scherer: Der Anbau an sich ist relativ gut möglich. Wichtig ist der Saattermin bei möglichst günstigem Wetter und eine nicht zu tiefe Ablage des Saatguts. Sehr empfindlich reagiert der Hanf auf sehr hohe Niederschläge und daraus resultierender Krustenbildung nach der Aussaat. Dann hat der Keimling oft nicht die Kraft, diese Erdkruste zu durchbrechen. Hier ist es erforderlich, etwas genauer auf die Wettervorhersagen zu achten. Das Saatgut ist sehr teuer und es ist extrem ärgerlich, wenn die Saat nicht wie gewünscht etabliert werden kann.
Ein weiterer Knackpunkt ist die Ernte, da der Hanf dazu neigt, den Mähdrescher zu verstopfen. Hier muss man, je nach Höhe der Pflanze, die jahresabhängig auch erheblich abweichen kann, den Bestand hoch abmähen. Nach der Ernte ist in jedem Fall das Trocknen der Hanfnüsse erforderlich. Eine intensive Reinigung sowie die Ermittlung des THC-Gehalts schließt sich an. Falls zuviel THC enthalten sein sollte, ist eine nochmalige Reinigung erforderlich. Sofern der THC-Gehalt nicht weit genug heruntergereinigt werden kann, ist schlimmstenfalls keine Verwendung möglich ( Tetrahydocannabinol ist der psychoaktive Wirkstoff im Hanf, der an verschiedenen Pflanzenteilen vorkommt, nicht jedoch an den Samen, Anmerkung d. Redaktion). Auch die Stoppelbearbeitung ist herausfordernd, da herkömmliche Grubber mit der Menge der Ernterückstände nicht umgehen können und ebenfalls verstopfen. Entschädigt wird man andererseits mit einer nicht alltäglichen Pflanze, die über das Jahr hinweg aufgrund des zügigen Wachstums und nach der Ernte aufgrund der hochwertigen Hanfnüsse Freude bereitet.
Video: So sieht die erntereife Hanfpflanze aus.
Inwiefern ist Ihr Hanf ein regionales Produkt? Werden die Produkte hier vertrieben und genutzt?
Scherer: Regionaler geht es kaum: Der Hanf wird vor Ort angebaut, geerntet und aufbereitet. Der Vertrieb der Produkte ist ebenfalls regional, auch über REWE, vorgesehen.
Wie wirkt sich Hanfanbau auf die heimische Flora und Fauna aus? Gibt es Tiere und Insekten, die auf die Hanfpflanze spezialisiert sind?
Scherer: Der Anbau ist als positiv zu bewerten. Die Hanfpflanze ist, und das wissen nur wenige, eine sehr ergiebige Bienen- und Insektenweide. Da der Hanf in unserer Gegend über Jahrzehnte nicht angebaut wurde, gibt es noch keine auf ihn spezialisierten Tierarten. Dennoch wird er von zahlreichen Insekten genutzt, was man anhand der vielen im Erntegut vorhandenen Tiere, auch Raupen, erkennen kann.
Weiterhin bietet er aufgrund der späten Ernte noch Schutz und Unterschlupf in der ansonsten schon abgeernteten Agrarlandschaft für viele weitere Tierarten wie Hasen oder Rehe. Vögel sind, und das ist aus der Sicht des Landwirts natürlich weniger positiv, ebenfalls begeistere Abnehmer der reifen Hanfnüsse.
Wie gehen die Menschen mit dem Anbau des Hanfs um? Werden Ihnen oft Fragen bezüglich der Verwendung gestellt?
Scherer: Der Hanf war in den letzten Jahren ein Exot auf den Äckern im Taunus. Gerade in den ersten Jahren waren gehäuft Leute zu beobachten, die den Hanf abgeerntet haben, wahrscheinlich auf eine berauschende Wirkung hoffend. Das ging so weit, dass wir an den Feldern Schilder mit dem Hinweis auf den Anbau von Industriehanf aufstellen mussten. Er war auch ein gern genommenes Photomotiv. Das hat sich mittlerweile abgeschwächt. Ab und an hört man auch mal Beschwerden, dass sich der Anbau von den vor Ort in den letzten Jahren gängigeren Hanfsorten nicht mehr so einfach gestaltet, da dieser von den Pollen des Industriehanfs "verwässert" würde. Direkte Fragen sind eher selten; oft wird man über Dritte gefragt, was mit dem Hanf passieren soll.
Wir danken Michael Scherer für diese interessanten Einblicke in den Anbau einer eigentlich gar nicht so ungewöhnlichen Feldfrucht! Videos und Fotos lieferte Angela Porkert.
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